Philippinen: Selbsthilfegruppen für Kinder
Stärkung der Gemeinschaft durch Hilfe zur Selbsthilfe in Tuy auf den Philippinen.
Mehr erfahrenEinige der ärmsten Länder der Welt sind hoch verschuldet. Aus der Staatskasse fließt so viel Geld zur Tilgung von Zinsen, dass nichts mehr übrig bleibt für dringende Investitionen, zum Beispiel in Schulen oder Krankenhäuser. Ohne die notwendige Infrastruktur bleibt aber auch ein wirtschaftlicher Aufschwung aus - und so füllen sich die leeren Staatskassen nicht. Die Schulden behindern die Entwicklung dieser Länder. Darum unterstützt die Kindernothilfe Initiativen, die sich für einen Schuldenerlass und ein faires Verfahren zur Regulierung der Verbindlichkeiten einsetzen.
Die hohen Schulden vieler Staaten haben verschiedene Ursachen. Während des Kalten Krieges „kauften" sich beide Lager mit Krediten die Loyalität armer Staaten. Dabei achteten die Kreditgeber nicht darauf, was mit dem Geld passierte. So flossen hohe Summen an Diktaturen und Militärregime, die das Geld in die Aufrüstung, in unsinnige Prestigeprojekte oder gar in die Taschen der Machthaber. Die Menschen in den armen Ländern hatten oft gar nichts von den Krediten.
Gleichzeitig sind die Preise für bestimmte Produkte - vor allem aus der Landwirtschaft - in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gefallen. Entwicklungsländer, die sich durch den Export dieser Produkte finanzieren, leiden unter diesen Einbrüchen und verzeichnen dramatische sinkende Einnahmen. Im Gegenzug müssen sie aber immer mehr Geld für den Import von Öl und Gas ausgegeben. Außerdem schotten sich die Industrieländer mit hohen Zöllen gegen Güter ab, die in Entwicklungsländern produziert werden. Auch Subventionen für Produkte aus den Industriestaaten hindern Entwicklungsländer daran, ihre Waren zu exportieren und damit Geld zu verdienen. Die Konsequenz: Die betroffenen Staaten müssen Kredite aufnehmen. Zinsen und Tilgung der Schulden verschlingen große Teile des Etats, es bleibt kaum Geld für Investitionen in Sozial- oder Bildungssystem.
In jüngster Zeit hat sich die Situation durch die globale Finanzkrise erneut verschärft. Während sich die Verschuldungssituation zwischen 2000 und 2008 für die meisten Länder verbessert hatte, stieg die gesamte Auslandsverschuldung von Entwicklungsländern laut Weltbank im Jahr 2010 erneut um zwölf Prozent auf rund vier Billionen US-Dollar an.
Über 3000 Mrd. US-Dollar Auslandsschulden lasten auf den Schultern der Entwicklungs- und Schwellenländer. Diese enorme Summe ist ein fast unüberwindliches Hindernis für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Länder. Gelder, die für den Aufbau von qualitativ hochwertigen Bildungssystemen, die medizinische Versorgung oder Investitionen in Infrastruktur, Wirtschaft und Forschung benötigt würden, fließen in die Schuldentilgung. Teilweise resultieren diese Schulden sogar aus Projekten, die der Bevölkerung schaden, statt ihr zu nutzen.
Diese Situation hat Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder, das hat nicht zuletzt der Fall Griechenland gezeigt. So ist das durchschnittliche wirtschaftliche Wachstum aller Entwicklungs- und Schwellenländer von 7,3 Prozent im Jahr 2010 auf 6,2 Prozent im Jahr 2011 gesunken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognosen für 2012 und 2013 um 0,7 Prozent gesenkt und sieht in der Schuldenlast weiterhin Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder.
Die Überschuldung trifft vor allem die Ärmsten. Kinder leiden besonders darunter, dass die Staaten nicht in der Lage sind, die lebenswichtigen Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen und für Ernährungssicherheit, Bildung und Gesundheit zu sorgen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank analysieren und entscheiden mit, wie viele Schulden einem Land erlassen werden sollten. Sie bestimmen die Bedingungen für einen Schuldenerlass und seinen Zeitpunkt. Außerdem setzten sie die sogenannten Tragfähigkeitsgrenzen fest, die bestimmen, wie hoch die Schuldenlast oder der Schuldendienst sein darf. Damit kommt ihnen eine Schlüsselrolle im internationalen Schuldenmanagement zu. Das Problem: IWF und Weltbank sind gleichzeitig auch Gläubiger der verschuldeten Staaten und haben ein Interesse daran, nicht alle Verbindlichkeiten zu erlassen.
Oft fordern IWF und Weltbank auch Strukturanpassungs-Programme von den Schuldnern, d.h. die Gewährung der Kredite wird an die Ausführung wirtschaftspolitischer Maßnahmen gekoppelt. Dieses Vorgehen stand vor allem in den 1980er Jahren in der Kritik, als die neoliberalen Maßnahmen in vielen Ländern eher für eine Verschlimmerung der Lage und Verschärfung der Armut sorgten, als dass sie Entwicklung ermöglicht hätten.
Das Bündnis „erlassjahr.de“, in dem die Kindernothilfe Gründungsmitglied ist, fordert ein faires Verfahren, um Entwicklungs- und Schwellenländer von ihren hohen Schulden zu entlasten und Entwicklung zu ermöglichen.
Die bisherigen Versuche, das Schuldenproblem durch Umschuldung oder Schuldenerlass-Initiativen mit Armutsbekämpfungsprogrammen zu lösen, sind weitestgehend gescheitert. Bestehende Verfahren beispielsweise im Pariser oder Londoner Club legen die Entscheidung über Schuldenerlasse und deren Bedingungen allein in die Hände der Gläubiger. Die betroffenen Länder können keinen Einfluss auf das Verfahren nehmen. Diese Praxis widerspricht rechtstaatlichen Regeln und macht eine nachhaltige langfristige Entschuldung unmöglich.
Um dem Schuldenproblem auf den Grund zu kommen, fordert erlassjahr.de daher ein faires und transparentes Schiedsverfahren, auch FTAP (Fair and Transparent Arbitration Process, dt.: Faires und Transparentes Schiedsverfahren) genannt. Ein internationales Schiedsgericht soll dabei einen fairen und offenen Ausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern ermöglichen.