Kindernothilfe Österreich. Kindern Zukunft schenken.

Klimawandel, Mangelernährung, Schutzlosigkeit: Kindern in Eswatini

„Eines der Hauptprobleme von Kindern in Eswatini betrifft ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen, und das ist Nahrung“, sagt Enock Dlamini, Direktor des eswatinischen Kindernothilfepartners ACAT (Africa Cooperative Action Trust). „Für Kinder ist das Problem jedoch schlimmer: Es geht nicht darum, dass sie irgendein Essen bekommen, sondern es muss nährstoffreich sein, weil sie noch im Wachstum sind. Fehlen diese Nährstoffe, beeinträchtigt das ihre Entwicklung, und sie können sich auch in der Schule nur schlecht konzentrieren. Vor allem in Zeiten des Klimawandels wird unsere Nahrungsmittelproduktion in Eswatini zu einer Herausforderung.“

Das kleine Land im Süden Afrikas ist überwiegend ländlich geprägt, und viele Familien sind von den Erträgen der Landwirtschaft abhängig. Aber auch Eswatini leidet seit Jahren unter Dürrezeiten und Ernteausfällen und bringt damit viele Kleinbauern an den Rand ihrer Existenz. „Ich will nicht so tun, als sei Eswatini das einzige Land, das vom Klimawandel betroffen ist“, so Enock Dlamini. „Ich weiß, dass jedes Land auf die eine oder andere Weise betroffen ist. Das Wetter ist unberechenbar geworden. Früher konnten die Wetterexperten vorhersagen, dass es heute Abend leicht regnen wird, aber dann wird dieser leichte Regen plötzlich zu einem Sturm! Der Klimawandel beeinträchtigt unsere Nahrungsmittelproduktion, und es kommt zu Engpässen. Die Umwelt wird geschädigt, der starke Regen spült die Erde weg, es kommt zu Bodenerosion. Das wirkt sich auf das Leben der Menschen aus.“

Der ACAT-Direktor sieht nur eine Chance: wenn sich alle zusammentun, um die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. „Es ist ein schwieriges Phänomen, denn das meiste, was passiert, unterscheidet sich ziemlich von den Theorien, die wir als Landwirtschaftsfachleute gelernt haben. Und deshalb müssen wir neu lernen, das Phänomen zu verstehen. Die Jahreszeiten werden durch die klimatischen Unterschiede geschaffen - im Winter muss es in Eswatini kalt und trocken sein, im Sommer regnet es. Aber durch den Klimawandel ist das durcheinandergeraten. Er hat zwei Gesichter: das der Dürre und das des Regens, der Überschwemmungen bringt.“

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Enock Dlamini, Direktor des Kindernothilfepartners ACAT in Eswatini
Enock Dlamini, Direktor des Kindernothilfepartners ACAT in Eswatini (Foto: Ralf Krämer)
Enock Dlamini, Direktor des Kindernothilfepartners ACAT in Eswatini
Enock Dlamini, Direktor des Kindernothilfepartners ACAT in Eswatini (Foto: Ralf Krämer)

Modellfarmerin Josphinah Similane trotzt dem Klimawandel

Josephinah Similane aus der Shiselweni Region musste früher bei ihren Nachbarn um Essen betteln, um ihre Kinder durchzubringen. Dann wurde sie wurde Mitglied einer SACCO-Gruppe (Spar- und Kreditgenossenschaften) von ACAT, zu der sich viele Frauen zusammengeschlossen hatten. Es waren immer nur Minibeträge, die sie zu den Treffen mitbrachten. Doch langsam wuchs das Guthaben. Der erste Kredit wurde vergeben, jede Frau kam mal dran. Josephinah konnte auf einmal ein größeres Feld bewirtschaften.  

ACAT brachte den Frauen auch das nötige Know-how bei: säen und pflanzen, was und wo es am besten wächst, den größten Ertrag bringt und gewinnbringend verkauft werden kann. 2009 wurde sie bei der Wahl zur Farmerin des Jahres in der Shiselweni Region Dritte und gewann Preise im Wert von 1.800 Euro, darunter eine Bewässerungsanlage für ihre Felder. „Haushalte wie der von Josephinah Similane können die Folgen des Klimawandels mildern“, ist sich Enock Dlamini sicher. „Sie baut z. B. Bananen an. Die Stauden verringern die Bodenerosion, und bei starken Regenfällen können sie sehr viel Wasser aufnehmen. Die Schulungen, die wir den Frauen in den SACCO-Gruppen geben, bereiten sie darauf vor, wie sie die Folgen des Klimawandels für sich abschwächen können.“

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Reportage: "Eswatini: Eine Frau startet erfolgreich durch" Foto einer Frau im Maisfeld (Quelle: Ralf Krämer, Kindernothilfe)
Josephinah Similane in ihrem Maisfeld (Foto: Ralf Krämer)
Reportage: "Eswatini: Eine Frau startet erfolgreich durch" Foto einer Frau im Maisfeld (Quelle: Ralf Krämer, Kindernothilfe)
Josephinah Similane in ihrem Maisfeld (Foto: Ralf Krämer)
Wenn eine Frau Geld braucht, fragt sie nicht ihren Mann, sie stellt sich nicht bei der Bank an. Sie geht zu ihrer SACCO und nimmt einen kleinen Kredit auf. Diese Genossenschaften geben insbesondere Frauen die Möglichkeit, die Kontrolle zu behalten und zu tun, was sie für ihre Familie für notwendig hält. „Das Herz einer Mutter in Eswatini hängt immer an ihrer Familie. Deshalb: Wenn man eine Gruppe von 20 Mitgliedern sieht, und diese 20 Mitglieder sind alle Frauen – hervorragend! Das bedeutet, dass 20 Haushalte sicher sind!“
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Eswatini: Frauen einer SACCO (Quelle: Silvia Beyer)
Frauen einer SACCO-Gruppe (Foto: Silvia Beyer)
Eswatini: Frauen einer SACCO (Quelle: Silvia Beyer)
Frauen einer SACCO-Gruppe (Foto: Silvia Beyer)

In Eswatini stagniert die HIV-Infektionsrate

Ein anderes großes Problem, gegen das Eswatini jahrelang angekämpft hat, ist eine der einst höchsten HIV-Infektionsraten der Welt. Besonders Frauen und Personen zwischen 18 und 35 Jahren waren betroffen. Enock Dlamini erklärt sich die aktuell stagnierende Zahl der Neuinfektionen so: „Wir leisten viel Aufklärungsarbeit, führen Schulungen durch, schärfen das Bewusstsein und sprechen offen über HIV. Wir mussten das Stadium der Stigmatisierung überwinden, denn anfangs wollte niemand in Eswatini mit HIV in Verbindung gebracht werden. Es gab sogar Selbstmorde, weil Menschen plötzlich positiv getestet wurden und Angst hatten, was die Leute über sie sagen würden. Mit diesem Stigma wollten sie nicht länger leben. Das Land musste sich mit dem Stigma auseinandersetzen, damit die Menschen sich mit HIV und Aids auseinandersetzten.“
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Eine Großmutter mit ihrem acht Monate alten Enkelkind (Quelle: Kieron Crawley)
Eine Großmutter mit ihrem acht Monate alten Enkelkind (Foto: Kieron Crawley)
Eine Großmutter mit ihrem acht Monate alten Enkelkind (Quelle: Kieron Crawley)
Eine Großmutter mit ihrem acht Monate alten Enkelkind (Foto: Kieron Crawley)
Ärztinnen und Ärzte raten Menschen mit HIV, besonders auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu achten. „Die Ernährung kann den Verlauf der HIV-Infektion mit beeinflussen“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). „So entwickeln Studien zufolge HIV-Positive mit gutem Ernährungszustand deutlich später Aids-Symptome als mangel-ernährte Infizierte.“ Und hier setzt der Kindernothilfepartner an. „Wir als ACAT sahen uns in der Lage, die Krankheit einzudämmen, nämlich durch die richtige Ernährung.“ ACATs Ziel ist die Entwicklung ländlicher Gemeinschaften, Hilfe zur Selbsthilfe für die benachteiligte Menschen insbesondere Frauen und Kinder, und Landwirtschaft und Ernährungssicherung spielen dabei eine große Rolle. „Leider hat sich die Situation für viele Menschen durch COVID-19 wieder verschlechtert. Denn unglücklicherweise hat es die älteren Menschen getroffen, und die Kinder, deren Eltern bereits durch HIV und Aids gestorben waren, verloren jetzt auch noch ihre Großeltern.“
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Kinder brauchen Schutz

Das sei ein weiteres großes Problem für Kinder in Eswatini, zählt Dlamini auf, dass sie schutzlos seien. Das führe in vielen Fällen zu sexueller Belästigung und schließlich zu Teenagerschwangerschaften. „Daher ist der Schutz von Kindern meiner Meinung nach ein Bereich in unserem Land, der Aufmerksamkeit erfordert, damit sie immer sicher sind, damit man sich um sie kümmert und sie glücklich sind“, betont Enock Dlamini. „Wenn ich vorschlagen sollte, welche Hilfe Kinder am dringendsten brauchen, wird es schwierig, denn was sie am meisten brauchen, kann man mit Geld nicht bezahlen. Was macht man, wenn ein Kind am meisten seine Mutter oder seine Eltern braucht? Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es eine Leere, eine Lücke gibt, die wir nicht schließen können: das Bedürfnis nach einem Elternteil – und nicht nach einem Vormund, nicht einmal nach einem anderen Geschwisterkind. Das Beste, was wir für diese Kinder tun können, ist, eine Umgebung zu schaffen, in der sie sicher sind, in der man sich um ihre anderen Bedürfnisse kümmert und in der sie die gleichen Chancen haben wie jedes andere Kind: etwa Kleidung und Zugang zu guter Bildung. Damit sie erkennen, dass sie kein Fehler sind, sondern dass es für sie ein Segen ist, am Leben zu sein.“
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Gabsile (rechts mit gelbem Zettel) ist die charismatische Leiterin eines Kinderrechts-Clubs in Eswatini (Quelle: Ralf Krämer)
Gabsile (rechts mit gelbem Blatt) ist die Leiterin eines Kinderrechte-Clubs in Eswatini (Foto: Ralf Krämer)
Gabsile (rechts mit gelbem Zettel) ist die charismatische Leiterin eines Kinderrechts-Clubs in Eswatini (Quelle: Ralf Krämer)
Gabsile (rechts mit gelbem Blatt) ist die Leiterin eines Kinderrechte-Clubs in Eswatini (Foto: Ralf Krämer)

Zuerst die Schule abschließen, dann schwanger werden

ACAT motiviert Kinder, sich zu Kinderrechte-Clubs zusammenzuschließen, gemeinsam Zeit zu verbringen, über wichtige Themen zu diskutieren, die ihr Leben betreffen. Dazu werden auch schon mal wichtige Leute aus dem Dorf eingeladen, die Entscheidungen treffen können. Mit denen reden sie z. B. darüber, dass eine Brücke über einen bestimmten Fluss gebaut werden muss, damit sie bei Hochwasser zur Schule gehen können.

Schule und Bildung sind ein wichtiges Anliegen für die Kinderrechte-Clubs. Die 17-jährige Gabsile kommt aus bitterarmen Verhältnissen. Sie trommelt die Kinder aus ihrem Kinderrechte-Club regelmäßig zusammen, immer wieder beschwört sie sie geradezu, dass sie Rechte haben und dass Bildung bei ihnen an erster Stelle stehen muss. Das hat sie bei ACAT gelernt, und auch, wie man eine Gruppe leitet. ACAT hat ihr Potenzial erkannt und sie gefördert. Bei jedem Treffen tragen Gruppenmitglieder ein Thema vor, auf das sie sich vorbereitet haben – z. B. Teenagerschwangerschaften, ein häufiger Grund für den Ausstieg aus der Schule. „Education first, children later“ (Bildung zuerst, Kinder später), ist die Botschaft der Gruppe und viel wirksamer, da sie von Gleichaltrigen kommt und nicht von einem Erwachsenen mit erhobenem Zeigefinger.

„Die Kinder geben uns bei diesen Treffen ein Feedback darüber, was ihrer Meinung nach in ihrer Dorfgemeinde wichtig ist. Und sie hören auch zu, wenn wir mit ihnen reden“, sagt Enock Dlamini.


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Von Lorenz Töpperwien und Gunhild Aiyub

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